KAB Steinheim-Murr
AKTIV !
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Vortrags / Diaabend
Von Steinheim nach Santiago de Compostela
„Courage, courage!“
So werden Jakobspilger auf ihrem Weg durch Frankreich begrüßt. In der Schweiz klatschen die Leute Beifall, in Deutschland nimmt man von ihnen keine Notiz. Als sich Martin Peipe am 23.3.2010 in Steinheim auf den Weg machte, lagen diese Erfahrungen noch vor ihm. Als aktiver Wanderführer beim Schwäbischen Albverein ist er das Laufen gewohnt. Aber 2700 Km bis nach Santiago de Compostela sind schon eine Herausforderung.
Was braucht man dazu: Zeit, Gesundheit und gutes Schuhwerk. 2 Paar Sandalen hat er verschlissen und ist auf seinem Weg so manchem Pilger begegnet, der aufgrund von Erschöpfung oder körperlichem Gebrechen zur Aufgabe gezwungen wurde.
Die rund 150 Zuhörer, die am 26. Juli 2011 zum Bildvortrag ins Franziskushaus gekommen waren stellten sich wohl auch die Frage, warum sich Menschen diese Strapazen zumuten. Sportlicher Ehrgeiz oder religiöse Motivation sind nur 2 von vielen Gründen. Letztlich, so Martin Peipe, muss jeder seinen eigenen Jakobsweg selbst gehen, ihn für sich selbst erleben. Er selbst komme während des Wanderns zur Ruhe. Es gibt keine Hektik, keinen Stress, man lässt seinen Gedanken einfach freien Lauf.
Zu Beginn der Reise zeigte sich an den Bäumen noch kein Grün, die Natur lag noch im Winterschlaf. Der Weg führte Martin Peipe über Hügel, Täler, an vielen Seen und Klöstern vorbei, und er ist so gut beschildert, dass er auch ohne Karte zu finden ist. Und wenn dann doch mal kein Wegweiser in Sicht ist, nimmt man einfach den Weg, der am meisten ausgetreten ist. Das ist dann Richtige. Sein erstes Nachtlager, ein kleines Zelt, hat Martin Peipe auf einer Wiese aufgeschlagen. Später fand er Quartier in Klöstern, Pensionen und in speziell für Jakobspilger vorgesehen Herbergen.
Sogar in einem Kinderzimmer durfte er nächtigen. Auf seiner Etappe durch die Schweiz hat ihn ein Bürger einfach von der Straße in seine Wohnung eingeladen. Der hatte das Bedürfnis eine gute Tat zu verrichten, so Peipe.
Ganz so einfach war es natürlich nicht immer eine Schlafstatt zu finden. Während es in Deutschland keine speziellen Unterkünfte für Pilger gibt, sollte man in Frankreich sein Bett mindestens einen Tag vorbestellen. Das gibt es dann allerdings mit Halbpension. So ist die nächste Mahlzeit gesichert. Auf dem spanischen Teil des Jakobswegs, ist die Bettenzahl begrenzt. Da heißt es strategisch laufen, also immer früher ankommen als die anderen. Und es gibt nur ein Bett, für sein Essen muss jeder selber sorgen.
Viele Pilger laufen keine so großen Strecken und haben bereits um die Mittagszeit oder etwas später ihr Ziel erreicht. Das erschwert dem länger laufenden Pilger die Suche, da manche Herbergen bereits voll belegt sind und man notfalls noch ein bis zwei Stunden Wanderzeit dranhängen muss.
Die Unterkünfte teilt sich der Pilger mit vielen anderen, da muss man auditiv und olfaktorisch einiges aushalten. Aber wer schon so weit gelaufen ist, ist nicht mehr wählerisch. Vor dem Schlafen gehen ist allerdings noch Wäsche waschen angesagt. Bei 2 Garnituren, die jeder im Rucksack hat, muss das sein.
Waren die ersten Etappen seines Wegs noch von Einsamkeit geprägt, kamen, je weiter Martin Peipe nach Westen wanderte, immer mehr Pilger dazu. Das waren Leute aus allen Ländern und Teilen der Erde Dann ging es in der Gruppe weiter. Jakobspilger sind, so Martin Peipe, wie eine Familie. Alle haben ein Ziel, und mit der Zeit entwickelt sich ein unglaubliches Vertrauen untereinander. So führt der Jakobsweg, oder Camino, wie er in Frankreich und Spanien heißt, durch unterschiedlichste Landstriche, bergauf, bergab, vorbei an unzähligen Kapellen und Jakobsskulpturen, die am Wegrand stehen, immer weiter bis das Ziel, Santiago de Compostela, erreicht ist. Für viele Pilger, so auch für Martin Peipe, ist das Ende der Reise allerdings erst 100 km weiter, am Cap Finisterre, erreicht. Im Mittelalter glaubten die Leute noch, dass die Erde eine Scheibe sei, und man am Cap Finisterre am Ende der Welt stünde.
Martin Peipe hat mit seinen Bildern und der Schilderung seiner Erlebnisse die Besucher in Bann gezogen. Da zeigt es sich doch, dass vielen Menschen das Thema „Pilgern“ nicht bedeutungslos ist, trotz aller Hektik und Zeitdruck, dem wir heute ausgesetzt sind.
Sein Plädoyer an die Zuhörer in Steinheim: „Haben Sie Mut, nehmen Sie einen Rucksack und laufen Sie davon.“
Claudia Kunz